Titel
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Sein Aufgabengebiet und dessen Implementierung in den Studiengang Maschinenbau an der TU Ilmenau ist
deutschlandweit einzigartig. Der Wissenschaftler und Kunststofftechnik-Experte Prof. Dr.-Ing. Michael Koch sieht
die Kunststoffindustrie als Kernbranche mit vielen Schnitt-Technologien zwischen den großen Wirtschaftszweigen
in Thüringen. Mit dem WIRTSCHAFTSSPIEGEL sprach er exklusiv über Synergien, Forschungsansätze und eine
wissenschaftliche Spannbreite, die Teil unterschiedlichster Wertschöpfungsketten ist:
Maschinenbau trifft
Kunststofftechnik
Was verbirgt sich hinter Ihrem
Gebiet der Kunststofftechnik?
„Dies ist eine Disziplin, die vielfach
falsch verstanden wird, weil die Inter-
disziplinarität, die darin steckt, nicht in
voller Tragweite begriffen wird. Die
Kunststoffverarbeitung ist eine große
Industrie, die drei Bereiche abdeckt. Das
ist einmal die Werkstofftechnik. Diese
hat aber nichts mit Chemie zu tun, die
Chemie ist dem vorgelagert. Das zwei-
te sind die Verarbeitungstechnik und
der Maschinenbau beziehungsweise die
Maschinentechnik und das dritte Thema
sind Anwendung und Gestaltung. Die
Schnittmenge aus diesen drei Bereichen
ist die Kernaktivität der Kunststofftech-
nik. Wir haben uns in den vergangenen
Jahren darauf kapriziert, im Studium die
Kunststofftechnik zu verankern und zu
schauen, dass wir junge Menschen an
dieses Thema heranführen. An der TU
Ilmenau ist es erfolgreich gelungen,
diese Vertiefungsrichtung Kunststoff-
technik im Maschinenbaustudium zu in-
stallieren. Damit haben wir ein Allein-
stellungsmerkmal in Deutschland. Da-
rauf sind wir stolz!“
Welche Anforderungen stecken denn
hinter dem Fachgebiet?
„Die Einrichtung der Professur hier an
der TU ist Resultat einer Initiative der
Thüringer Kunststoffindustrie. Die Fir-
men wollten eine wissenschaftliche
Ausbildung im Land. Keine ausschließ-
lich gewerbliche oder technische Aus-
bildung, sondern eine rein wissen-
schaftliche. Im gewerblichen Bereich
gibt es eine ganze Reihe von Ein-
richtungen, die das sehr professionell
betreiben. Dazu kommen im technischen Bereich die
Fachhochschulen in Jena und Schmalkalden, die sich
mit dem Thema Kunststoff beschäftigen. Es gibt die
große außeruniversitäre Forschungseinrichtung; das
TITK in Rudolstadt, eine der größten ihrer Art in
Deutschland. Man hat aber gesagt, um das alles zu
stärken muss der wissenschaftliche Hintergrund, spe-
ziell mit der Perspektive der Ausbildung junger
Ingenieurwissenschaftler, vorangetrieben werden. Das
waren im Wesentlichen das Kunststoffcluster Poly-
merMat, die GRAFE-Gruppe, die OMPG, die hinter dem
TITK steht, die Möller-Tech und die Schmuhl Faser-
verbundtechnik. Dieses Initiative hat die Stiftung für
Forschung und Technologie des Landes Thüringen
(STIFT) dann maßgeblich unterstützt.“
Soweit zum Hintergrund! Was sind nun konkret
Ihre Themen?
„Wir beschäftigen uns in der Forschung mit fünf The-
menfeldern. Das eine ist das Thema Industrie und
Produktion. Da steht ganz klar der Aspekt der Produk-
tionstechnik im Mittelpunkt. Kunststoffverarbeitung
ist eine produzierende Industrie, die davon lebt, mög-
lichst viele Produkte herzustellen. Die Kunststoff-
technik ist die größte produzierende Industrie in
Thüringen. Es wird nur nicht so statistisch gezählt, da
die Kunststoffverarbeiter vielfach in anderen
Branchen geführt werden, wie der
Automobilindustrie oder Elektrotechnik,
obwohl es reine Kunststoffverarbei-
tungsbetriebe sind. Deshalb ist der pro-
duktionstechnische Aspekt, den wir hier
betrachten, so gewichtig. Ein zweites
Thema ist die Energieeffizienz und die
Verfahrenstechnik. Das spielt gezielt auf
den Maschinenbau an – die Integration
unterschiedlicher Prozesse und Verfah-
ren in einer Maschinenplattform und
wie damit in energieeffizienter Weise
produziert werden kann. Das dritte
Themenfeld ist die Funktionalisierung.
Das zielt darauf, dass wir Kunststoff-
produkte in ihren Eigenschaften verbes-
sern oder zusätzliche Funktionen in die
Kunststoffprodukte einbringen. Da be-
schäftigen wir uns zum Beispiel mit
Biokunststoffen, die wir durch Verar-
beitungstechnik so in ihren Eigenschaf-
ten beeinflussen, dass sie in Anwen-
dungen vordringen können, die sie
heute noch nicht bedienen. Es gehören
aber auch die Produktions- und Quali-
tätssysteme zu unseren Themen. Durch
entsprechende Qualitätsüberwachungs-
systeme kann die Qualität in der Pro-
duktion verbessert werden, damit wird
die Wirtschaftlichkeit gesteigert. Vor al-
lem können die Spitzen von Eigenschaf-
ten, die erreicht werden, so herausgefil-
tert werden, dass eingeschätzt wird,
was auf der Qualitätsseite getan wer-
den muss, um ein Produkt beliebig re-
produzieren zu können.“
Und letztlich gibt es noch ein
viertes und fünftes Themenfeld?
„Genau! Wir haben das Thema Verbund-
strukturen, Faserverbund und Leicht-
Foto: TU Ilmenau
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Prof. Dr.-Ing. Michael Koch
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